Arthur Schnitzler

DIS | ORDER

Vom Wesen dynamischer Systeme

Kunst im öffentlichen Raum Baden
Arthur Schnitzler Projekt 2015 – organisiert durch den Kunstverein Baden

Vernissage: Mi, 20. Mai 2015, um 19 Uhr
Begrüßung: Helga Krismer, Vizebürgermeisterin und Hans Hornyik, Stadtrat
Es spricht: Hartwig Knack, Kurator DIS | ORDER
Eröffnung: Kurt Staska, Bürgermeister

Ort: Arthur Schnitzler Park und Bahnhof Baden

Ausstellungsdauer: 21. Mai 2015 – 26. Juni 2015

Finissage und Katalogpräsentation: Fr, 26. Juni 2015, 17 Uhr

Auch das Chaos gruppiert sich um einen festen Punkt, sonst wäre es nicht einmal als Chaos da.

Arthur Schnitzler
Aphorismus von 1927

 

Teilnehmende KünstlerInnen des Kunstvereins Baden

Christian Bazant-Hegemark, Petra Buchegger, Christian Einfalt & Jürgen Ramacher, Martina Funder, Regina Hadraba, Tomas Hoke, Cornelia König, Ulla Reithmayr,
Kurt Spitaler, Barbara Szüts, Michael Wegerer

Als Gast: Barbara Ruder
Kurator: Hartwig Knack

 

Seit jeher waren Chaos und Ordnung auf geheimnisvolle Weise miteinander verwoben. In der griechischen Antike bezeichnete das Chaos den von Unordnung und Konfusion geprägten Urzustand der Welt. Demgegenüber stand der Begriff des Cosmos, mit dem die (Welt-) Ordnung oder das Universum beschrieben wurde.

Schon früh haben sich Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Nietzsche oder Karl Kraus mit dem scheinbaren Antagonismus “Chaos und Ordnung“ beschäftigt. Auch Arthur Schnitzler hat sich mehrfach mit dem Themenspektrum literarisch auseinandergesetzt. In der Groteske “Der grüne Kakadu“ (1898) führt Schnitzler vor, wie am Vorabend der Französischen Revolution die wohlgeordnete aristokratische Welt in Form einer aufrührerischen Volksmenge ins Chaos gestürzt wird. In seiner Tragikomödie “Das weite Land“ (1911) ist zu lesen: „Wir versuchen wohl, Ordnung in uns zu schaffen, so gut es geht, aber diese Ordnung ist doch nur etwas Künstliches ... Das Natürliche ... ist das Chaos.“ Schnitzler liefert hier ein Bild der großbürgerlichen Wiener Gesellschaft kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs, das durch Müßiggang, Zerstreuung und gesellschaftspolitische Oberflächlichkeiten geprägt ist. Unaufhaltsam steuert alles auf eine Katastrophe unermesslichen Ausmaßes zu.

1989 realisierte das New Yorker “New Museum“ eine erste umfassende Kunstausstellung, die sich dem Thema der Chaosforschung annahm. “Strange Attractors: Signs of Chaos“ wurde die Schau genannt, an der namhafte Künstler wie John Cage, Andres Serrano oder Zoe Leonard beteiligt waren.

Vor dem Hintergrund aktueller politischer Umbrüche, weltweiter wirtschaftlicher Verunsicherung, Terror und Kriegsgefahr, einer globalen Erderwärmung und der zunehmenden Zerstörung der Natur überprüft die Ausstellung im Arthur Schnitzler Park in Baden bestehende Ordnungssysteme unterschiedlichster Ausprägung und deren immanente chaotische Strukturen auf ihre gesellschaftspolitische Relevanz.

Barbis Ruder thematisiert “Komasaufen“, “Fressanfälle“ und eindeutige Angebote von Männern an Frauen auf Sexplattformen und kombiniert sie in ihrer witzig-brutal-chaotischen Performance “binge-dating“ zur Ausstellungseröffnung.

Christian Bazant-Hegemark kontextualisiert in Texten, Diagrammen und Bildern aktuelle wirtschaftliche und soziopolitische Inhalte auf fraktalhafte Weise.

Petra Buchegger geht es in ihren Arbeiten im weitesten um die kritische Hinterfragung der Rolle der Frau als Mutter und den Begriff der Subsistenzwirtschaft. In ihrer Kunst schwingt immer das Themenspektrum der Gesellschafts- Kapitalismus- und Konsumkritik unterschwellig mit.

Martina Funder stellt im übertragenen Sinn das Regal als weit verbreitetes Ordnungssystem zur Diskussion. Dient es als Aufbewahrungsstätte von Vergangenem, um Platz zu schaffen und Chaos zu bändigen, um Wissen oder Güter zu ordnen?

Regina Hadraba hat offene, benutzbare quaderförmige Räume entwickelt, die Passanten als komfortable oder unbequeme Verweilplattformen zur Verfügung stehen.

Tomas Hoke setzt sich mit chaotischen Verknotungen neuronaler Netzwerke auseinander, die trotz oder aufgrund ihrer ungeordneten Struktur hochkomplexe Funktionen erfüllen und doch einer inneren Ordnung unterworfen sind.

Die handlichen Spiegel Cornelia Königs regen durch die Aufschrift “Alles in Ordnung?“ einen reflexiven Blick auf sich selbst an. Regelmäßige Selbstbefragung kann ein Weg sein, dem persönlichen Chaos zu entkommen und neue Perspektiven für ein geordnetes Leben zu kreieren.

Christian Einfalt & Jürgen Ramacher präsentieren ein zerstörtes, demoliertes Auto, das sich im sprichwörtlichen Sinne von seinen Bestandteilen zu lösen versucht und sich um einen Baumstamm wickelt. Dies stellt für das Künstlerduo den Bruch mit der scheinbaren Realität und Katastrophe auf den Kopf und wird im Arthur Schnitzlerischen Sinne zur Groteske.

Ulla Reithmayrs überdimensionaler Mantel symbolisiert eine Trennschicht einerseits, einen Bereich des Übergangs von Davor und Dahinter, von Durchlässigkeit und Undurchlässigkeit andererseits. Schützt der Mantel vor dem äußeren Chaos, oder lässt er das ungeordnete Innere nicht heraus?

Kurt Spitaler stellt dem chaotischen Wesen der Natur das einem künstlerisch- handwerklichen Ordnungswillen entsprungene Objekt “Liegende Säule“ gegenüber: Natur versus Kultur.

Barbara Szüts ist seit jeher von vermeintlich chaotischen Bewegungsabläufen fasziniert. Ihre Edelstahlplastiken greifen das Spiel des Werdens und Vergehens auf und erinnern an universelle kosmische Strukturen.

Mittels historischen Text- und Bildquellen aus der Badener Zeitung um 1910-15, einer Zeit, als Arthur Schnitzler Baden regelmäßig besuchte, gestaltet Michael Wegerer geometrische Schriftbilder. Durch ihr Anbringen auf den automatischen Glasschiebetüren im Bahnhofsgebäude kommt es beim Öffnen der Türen zu Überlagerungen und Kombinationen, die die textliche Ordnung stören oder aber Textteile erst lesbar werden lassen.

Hartwig Knack